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Nutzungsausfall

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Nutzungsausfallentschädigung

Nach der Entscheidung des BGH können Sie als Geschädigter unter gewissen Voraussetzungen eine Entschädigung allein für den Ausfall der Nutzungsmöglichkeit Ihres beschädigten Fahrzeuges verlangen, ohne dass Sie ein Ersatzfahrzeug tatsächlich anmieten müssen.

Denn derjenige, der auf die Inanspruchnahme eines Ersatzfahrzeugs verzichtet, soll nicht schlechter stehen als derjenige, der ein Ersatzfahrzeug anmietet.

Voraussetzungen der Nutzungsausfallentschädigung:

 
​Zunächst müssen Sie als Geschädigter infolge des Unfalles tatsächlich auf die Nutzung Ihres Fahrzeugs verzichten (BGH NJW 1976, 1396 (1398). Dies kann der Fall sein für die Dauer der Reparatur des verunfallten Fahrzeuges oder aber für die Zeit, für die ein anderes Fahrzeug beschafft wird. Grundsätzlich gilt dies auch wenn Sie Ihr Fahrzeug selbst reparieren (BGH NJW 1992, 1618 (1620).

Wenn Sie allerdings Ihr Fahrzeug nicht reparieren oder sich sogleich ein anderes Fahrzeug beschaffen, ohne auf die Nutzung verzichten zu müssen, können Sie keinen Ersatz des Nutzungsausfalles geltend machen. Denn in diesem Fall stand Ihnen durchgängig ein Fahrzeug zur Verfügung.

Zudem muss der Ausfall der Nutzung für Sie als Geschädigter fühlbar sein (BGH NJW 1966, 589 (590). Das setzt insbesondere einen Nutzungswillen und die hypothetische Nutzungsmöglichkeit für den Zeitraum voraus, für den Sie diesen Anspruch geltend machen:
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Hypothetische Nutzungsmöglichkeit

Zudem müssen Sie als Geschädigter (hypothetisch) die Möglichkeit zur Nutzung des verunfallten Fahrzeuges haben. Diese Möglichkeit liegt dann vor, wenn Sie nach dem Unfall ein Fahrzeug grundsätzlich hätten nutzen können und durch die unfallbedingte Reparatur bzw. Ersatzbeschaffung daran nun gehindert sind. 

Damit fehlt die Möglichkeit zur Nutzung, wenn Sie als Geschädigter durch den Verkehrsunfall verletzt wurden und wegen der Verletzungen ein Fahrzeug nicht nutzen können. In diesem Fall können Sie keinen Nutzungsausfall geltend machen. 
 
Allerdings führen nicht sämtliche Verletzungen dazu, dass Sie das Fahrzeug hypothetisch nicht mehr nutzen können. Denn es sind Verletzungsarten denkbar, die Sie nicht beim Führen des Fahrzeuges einschränken. Hierzu zählen beispielsweise Verletzungen an dem linken Bein, sodass das Fahrzeug mit Automatikgetriebe noch genutzt werden könnte.

Anders könnte dies z. B. bei einem Schleudertrauma sein, wenn Sie etwa eine Halskrawatte („Cervicalstütze“) tragen müssen. Denn in diesem Fall dürfte es Ihnen nicht möglich sein, das Fahrzeug zu führen, da Sie nicht in der Lage sind, den Schulterblick durchzuführen.
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Auch entfällt die Nutzungsausfallentschädigung, wenn das Fahrzeug aus rechtlichen Gründen nicht genutzt werden darf. Dies ist z. B. der Fall, wenn das Fahrzeug keine oder eine erloschene Betriebserlaubnis hat.
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Was gilt, wenn zwar nicht der Geschädigte, aber Familienangehörige das Fahrzeug nutzen? 

Auch wenn Sie als Unfallgeschädigter wegen den erlittenen Verletzungen durch den Verkehrsunfall nicht in der Lage sind, das verunfallte Fahrzeug zu nutzen, kann eine Nutzungsausfallentschädigung geltend gemacht werden.

Hierzu urteilte der BGH, dass dies dann möglich ist, wenn das Fahrzeug durch Familienangehörige des Unfallgeschädigten benutzt worden wäre, und der Geschädigte das Fahrzeug auch für diesen Zweck zuvor anschaffte und seinen Familienangehörigen zur Verfügung stellte. Voraussetzung ist aber, dass diese Familienangehörigen das Fahrzeug bereits vor dem Unfall genutzt haben und kein Zweitfahrzeug zur Verfügung steht.

Die Darlegungs- und Beweislast für die vorgenannten Voraussetzungen obliegt dem Geschädigten.
 
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Nutzungswille

Sie müssen als Geschädigter einen Nutzungswillen haben, also den hypothetischen Willen zur Nutzung Ihres Fahrzeuges.

Dieser Wille wird grundsätzlich vermutet und in der Regel können Sie diesen bereits dadurch darlegen und beweisen, indem Sie einfach Ihr Fahrzeug reparieren oder eine Ersatzbeschaffung eines anderen Fahrzeuges vornehmen. Denn dadurch wird erkennbar, dass es Ihnen auf die Nutzung ankommt. 

Wenn Sie als Geschädigter hingegen weder Ihr Fahrzeug reparieren noch ein Ersatzfahrzeug anschaffen oder mehrere Monate hiermit warten, ist dies eine klare Vermutung gegen einen Nutzungswillen. Damit Sie in diesem Fall dennoch einen Nutzungsausfall geltend machen können, müssen Sie diesen Umstand widerlegen. Dies Können Sie z. B. dadurch, indem Sie als Grund für das lange Zuwarten vorbringen, nicht genügend finanzielle Mittel für die Reparatur oder Ersatzbeschaffung zu haben. 
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Haben Sie Fragen oder benötigen Sie rechtliche Unterstützung? Dann kontaktieren Sie uns jederzeit kostenlos!

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Tel.:  +49 (0) 89 8928 6322

 

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Was gilt, wenn der Geschädigte ein Mietfahrzeug anmietet? 

Ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung besteht grundsätzlich dann nicht, wenn Sie tatsächlich einen Mietwagen anmieten und dessen Kosten ersetzt verlangen (BGH NJW 2008, 913 Rn. 10).

Denn Sie können als Geschädigter nicht gleichzeitig neben dem Ersatz der Mietwagenkosten auch eine Nutzungsausfallentschädigung (kumulativ) verlangen. Vielmehr stehen die beiden Ansprüche im Alternativverhältnis. Sie müssen daher zwischen diesen wählen.

Möglich ist jedoch die Nutzungsausfallentschädigung und den Mietwagenkostenersatz nacheinander in Anspruch zu nehmen (OLG Dresden NJW-RR 2021, 98 Rn. 36), sodass etwa für die ersten Tage eine Nutzungsausfallentschädigung und für die restlichen Tage Erstattung der tatsächlichen Kosten für den angemieteten Mietwagen verlangt werden können. 
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Was gilt, wenn Dritte dem Geschädigten ein Fahrzeug vorübergehend zur Verfügung stellen? 

Spüren Sie als Geschädigter den Nutzungsausfall nur deshalb nicht, weil Dritte Ihnen ein Fahrzeug unentgeltlich oder zu einem erheblich günstigeren Preis als dem Marktpreis zur Verfügung stellen, so entlastet dies den Unfallgegner bzw. die gegnerische Versicherung nicht. Daher können Sie grundsätzlich eine Nutzungsausfallentschädigung geltend machen (vgl. § 843 Abs. 4 BGB). 

Dies ist jedoch dann anders zu beurteilen, sodass kein Nutzungsausfall besteht, wenn nicht die besondere Beziehung des Dritten zum Geschädigten Grund für die Zurverfügungstellung des Fahrzeuges war.

Hierzu zählen Fälle, in denen der Unfallgegner bzw. die gegnerische Versicherung ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung stellen, um Kosten zu sparen. Für diese Fälle kann somit kein Nutzungsausfall geltend gemacht werden, da Sie auf deren Fahrzeug zugreifen können.

Gleiches soll nach der Rechtsprechung gelten, wenn die Reparaturwerkstatt dem Geschädigten einen Mietwagen zum Zwecke der Kundenbindung kostenlos oder zu einem erheblich günstigeren Freundschaftspreis zur Verfügung stellen.  (OLG Jena NZV 2009, 388 (389)); BGH NJW 2008, 913 Rn. 10). In diesem Fall kann ebenfalls kein Nutzungsausfall geltend gemacht werden, aber Ersatz der tatsächlich bezahlten Mietwagenkosten verlangt werden. 
 
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Was gilt, wenn der Geschädigte über ein Zweitfahrzeug verfügt?

Wer über ein weiteres Fahrzeug neben dem verunfallten Fahrzeug verfügt, dessen Einsatz möglich und zumutbar ist, kann keine Nutzungsausfallentschädigung, sondern allenfalls Ersatz der Vorhaltekosten verlangen (BGH NJW 1976, 286). Vorhaltekosten sind etwa Kosten für den Kredit zur vorherigen Anschaffung dieses Zweitfahrzeuges oder des Unterhaltes für das Zweitfahrzeug etc.

Auch wenn das Zweitfahrzeug für Sie als Geschädigter eine niedrigere Wertschätzung hat, etwa dieses ein niedrigeres Prestige oder ein anderes Fahrgefühl vermittelt, so reicht dies nicht für eine Unzumutbarkeit der Nutzung des Zweitwagens aus.

Daher kann keine Nutzungsausfallentschädigung verlangt werden, wenn z. B. das Zweitfahrzeug ein 3er BMW Kombi ist und das verunfallte Erstfahrzeug ein Porsche Turbo S Cabriolet (BGH NJW 2023, 47). Denn in diesem Fall ist die Nutzung des 3er BMW Kombi zumutbar. 
 
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Höhe der Nutzungsausfallentschädigung

Die Höhe des einzelnen Tagessatzes der Nutzungsausfallentschädigung bestimmt der Tatrichter nach seinem Ermessen (vgl. § 287 ZPO).

In der Praxis greift dieser jedoch regelmäßig auf die Tabellen von Sanden/Danner/Küppersbusch zurück, die als Buch „SchwackeListe Nutzungsausfallentschädigung“ von der Fa. EurotaxSchwacke herausgegeben wird. 

Die Tabellen sind jedoch nicht verbindlich, der Tatrichter kann den Nutzungswert deshalb auch in anderer Weise, wie z. B. durch die Hinzuziehung eines Sachverständigen (vgl. § 287 ZPO) schätzen.
 
 

 
Die Höhe der Nutzungsausfallentschädigung kann durch das Alter und den Erhaltungszustand des Fahrzeuges entscheidend beeinflusst werden. Dementsprechend nimmt die Praxis regelmäßig einen Abschlag von den Werten der vorgenannten Tabelle vor, wenn das Kfz über fünf Jahre alt ist, insbesondere indem sie das Fahrzeug in die nächstniedere Gruppe der Tabelle einordnet.

Bei zehn Jahre alten Fahrzeugen erfolgt grundsätzlich eine Herabstufung um zwei Gruppen.

Bei über 15 Jahre alten Fahrzeugen kann die Tabelle nur noch ein Anhaltspunkt sein, denn aufgrund der fortschreitenden technischen Entwicklung fehlt es grundsätzlich an der Vergleichbarkeit. Daher bestimmt der Tatrichter die Höhe für diese Fahrzeuge nach seinem freien richterlichen Ermessen. 
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